„So kalt wie Eis, so klar wie Glas“ von Oliver Schlick

​Der Mythos lebt

Fantasy und Realismus werden von Oliver Schlick in dem Roman „So kalt wie Eis, so klar wie Glas“ zusammengeführt.

Die Protagonistin Cora Dorneyser lebt in dem kleinen Dorf Rockenfeld. Ihre Mutter ist vor kurzem gestorben und ihr liebevoller, reicher, kreativer Großvater kümmert sich rührend um sie, bringt ihr die Grundfähigkeiten einer Kugelmacherin bei. Doch auf der Familie Dorneyser liegt ein Fluch: sie besitzen eine unzerstörbare Schneekugel, die die Frau Holle zurück haben will, um jeden Preis.
Frau Holle ist eine uralte mythische Figur, die je nach Region und Zeitalter, mal als Schönheit und dem Menschen zugewandte Charaktere, mal als hässlich und böse dargestellt wird. Martin Luther ist an diesem Bild nicht ganz unschuldig. In „Auslegung der Episteln“ von 1522 brandmarkt er sie als heidnisches Götzenbild.1 Während in dem Märchen von den Gebrüdern Grimm die Frau Holle Gerechtigkeit walten lässt, verkörpert sie bei Oliver Schlick das Böse schlechthin.
Cora erfährt nach und nach von Frau Holle und auch, welches Ziel sie verfolgt. Frau Holle ist aber nicht allein, sie hat jede Menge Helfer, die aber nur in den Rauhnächten eine Chance haben, die Kugel zu finden.
Der Mythos über die Rauhnächte existiert in einigen Gebieten bis heute. So wird im Salzburger Land zwischen dem 21.12. (Thomastag und Wintersonnenwende) und dem 06.01. (Heilige drei Könige) die Häuser geräuchert, um böse Geister fernzuhalten, es firmiert unter dem Namen „wilde Jagd“.
Frau Holle und ihre Helfer sind tote Menschen, die ähnlich zu bösen Geistern werden wie die Vampire. Jeder kann zum Helfer werden, wenn er in den Rauhnächten stirbt, dann wird er zu einem Soldaten von Frau Holle und muss ihr gehorchen.

Im Roman heißt die Familie Dorneyser, die die Schneekugeln erstellt, aber in Wirklichkeit soll der Alchimist Leonhard Thurneysser 1572 eine Glashütte beauftragt haben, ihm eine Schneekugel anzufertigen.2  
Für Frau Holle ist die Schneekugel insofern interessant und begehrenswert, da diese ihr eine besondere Macht über die Menschen verleiht. Inzwischen weiß sie, dass Cora eine Nachfahrin der Familie ist und sie gerät damit in das Blickfeld von Frau Holle. Der Wettlauf zwischen Cora und Frau Holle beginnt, der Wettlauf zwischen Rettung und Verlust wird zunehmend ein Wettlauf gegen die Zeit.

Oliver Schlick lässt einen alten Mythos wieder aufleben, bleibt aber auf dem Boden der Realität, er hat kein neues Land erfunden, keine neuen Wesen, keine neuen Märchenfiguren. Sehr spannend wird erzählt, wie der Mythos Wirklichkeit wird, wie der Mythos die Menschen im Griff hat.

Endlich ein fantastischer realitätsbezogener Roman, der gänzlich auf Zwerge und Zauberer verzichtet, der einem glasklar und eiskalt einige Stunden gute Unterhaltung schenkt.

Oliver Schlick: So kalt wie Eis, so klar wie Glas
Roman
Alter: ab 14 Jahre
gebunden
384 Seiten
Format (H x B X T): 219 x 151 x 33 mm
Gewicht: 685 g
erschien: 21.08.2015
Verlag: Ueberreuter
ISBN 978-3-7641-7043-1
Preis: 16,95 € (D), 17,50 € (A)

> Siehe auch (): Eichhörnchen in der Schneekugel 


Einzelnachweise:

1: Vgl. (): Geheimnisvolle Frau Holle … weltberühmt und doch unbekannt, PDF-Datei, S. 10 

2: Vgl. Andreas Conrad (): Berlin Souvenirs. Hauptstadt der Flocken, in: Tagesspiegel vom 19.01.2016